Interview: „Depression ist eine Krankheit, die verbindet man nicht mit 25 sein.“
Nachricht vom 24.08.2020
Die Depression gehört in Deutschland zu den häufigsten, aber hinsichtlich ihrer Schwere am meisten unterschätzten Erkrankungen. Die Deutsche Bahn Stiftung fördert Aufklärungsprogramme zum Krankheitsbild Depression und allgemein für die Akzeptanz von psychischen Erkrankungen. Sie unterstützt Projekte, die niedrigschwellige Wissens- und Informationsvermittlung zu Fragen über psychische Krankheiten und diesbezügliche Themen wie Vorsorge sowie Therapiemöglichkeiten und Hilfsangebote anbieten. Eine Institution, die die Deutsche Bahn Stiftung seit vielen Jahren unterstützt ist die Stiftung Deutsche Depressionshilfe zusammen mit dieser setzt sie sich seit 2014 für Aufklärung über psychische Erkrankungen und für deren Entstigmatisierung in der Gesellschaft ein.
Radiomoderatorin, Bloggerin und Bestsellerautorin – Victoria van Violence ist erfolgreich und jung. Doch sie kennt auch schwierige Zeiten. 2014 erkrankte sie an einer Depression. Mit der Deutsche Bahn Stiftung hat die Botschafterin der Stiftung Deutsche Depressionshilfe über ihre persönlichen Erfahrungen gesprochen.:
Victoria, Du selbst bist vor einigen Jahren an einer Depression erkrankt. Wann war das und wusstest Du damals schon viel über Depression?
Ich war 25 Jahre alt. Zu der Zeit wusste ich wirklich kaum etwas über die Krankheit. Mir ging es damals über längere Zeit körperlich schlecht. Meine Ärztin vermutete dann eine psychosomatische Ursache. Das hat mich verwundert, weil ich ja körperliche Symptome wie Bauchschmerzen hatte.
Aber es stellte sich als Depression heraus. Wann war für Dich der Punkt erreicht, an dem Du wusstest, dass Du Hilfe brauchst?
Das war dann einige Monate später. Man setzt sich stärker mit dem Thema auseinander, denkt oder hofft aber gleichzeitig noch – wie man es von einer Grippe gewohnt ist – dass sich der Zustand mit der Zeit von selbst verbessern wird. Das ist aber leider nicht passiert. Irgendwann kam der Tag, da habe ich gedacht, es gibt kein morgen mehr, ich konnte einfach nicht mehr. Zu diesem Zeitpunkt habe ich mich selbst in eine Klinik eingewiesen. Und heute weiß ich, körperliche Symptome können ebenfalls das Krankheitsbild begleiten.
Wie wurde Dir geholfen und wie sah dein Weg aus der Krankheit aus?
In der Klinik wurde ich rund vier Wochen stationär behandelt, bis ich grob über dem Berg war. Danach hatte ich für eineinhalb Jahre Gesprächstherapie gemacht. In der Phase habe ich mich natürlich viel auch mit mir selber, meinem Körper, meiner Psyche auseinandergesetzt und mich auch mit dem Krankheitsbild befasst.
Gibt es etwas, was Dir im Alltag geholfen hat, mit der Depression umzugehen und diese zu meistern?
Ja, definitiv. Ich weiß heute, warum die Episode damals ausgelöst wurde und kann jetzt entsprechend gegenwirken. So vermeide ich nun Situationen, von denen ich jetzt weiß, dass sie mir nicht guttun. Ich versuche meinem Tagesablauf eine gewisse Struktur zu geben. Es geht um die Regelmäßigkeit, darum, Dinge zu erledigen und zu versuchen Sachen nicht unnötig aufzuschieben. Das gibt mir einen guten Rahmen, um nicht ins Schleudern zu kommen und um stressbedingte Situationen zu vermeiden, die Auslöser sein könnten.
Siehst Du Dich heute als geheilt an?
Bei psychischen Erkrankungen ist das mit der Heilung immer schwierig zu beantworten. Aus der damaligen depressiven Episode bin ich definitiv schon länger raus. Ich bin aber weiterhin in Psychotherapie. Einfach weil ich selber merke, dass es mir nach wie vor sehr guttut, mit jemand Externem über verschiedenste Aspekte in meinem Leben zu sprechen.
Wann hast Du Deinem engeren Umfeld von Deiner Erkrankung berichtet?
Ich habe alles erst erzählt nachdem ich in der Klinik war - ein nicht untypisches Verhalten bei vielen Betroffenen. Mir selbst war es damals wahnsinnig unangenehm und ich habe mich anfangs richtig dafür geschämt erkrankt zu sein. Ich dachte, das sei mein eigenes Versagen. Man denkt, man sei nicht stark genug. Man muss sich wirklich intensiv damit auseinandersetzen, um sich selber begreifbar zu machen, dass man keinerlei Schuld trägt, dass es wirklich jedem passieren kann.
Wie wurde das aufgenommen? Bist Du eher auf Verständnis und Unterstützung getroffen oder gab es Unsicherheiten oder auch Vorurteile?
Die Reaktionen waren ganz unterschiedlich. In solchen Situationen trennt sich schnell die Spreu vom Weizen. Manche waren sehr offen und hilfsbereit, andere aber auch weniger. Was aber auch vollkommen okay ist. Manchen fällt es sicherlich schwerer damit umzugehen, vor allem, wenn auf einmal jemand im nahen Umfeld erkrankt ist.